Folkeboot Lotte

ein halbes Jahrhundert auf der Ostsee

10
Jul
2013

Das Ende einer Ära

Toogtyve fireogfyrre og halvtreds. PIEP. Toogtyve femogfyrre og nul. PIEP.

In Erwartung dieser Worte von Radio Kalundborg zog es mich viele Jahre jeden Abend aufs Boot und zum Radio – Seewetterbericht. In den ersten Jahren ging der Weltempfänger immer eine Minute vorher automatisch an, später – als ein Autoradio installiert war – hatte ich einen Wecker gestellt. Mit der Zeit wurden die Wecker besser, und so bekam jede Sendezeit eine eigene Melodie: 06:45 – 08:45 – 11:45 – 17:45 – 22:45. Kurz vor sieben war genau richtig zum Aufwachen, kurz vor neun war beim Frühstück, um kurz vor zwölf gab es die Fünf-Tages-Prognose, den um kurz vor sechs bekamen wir wegen unserer Hafenmanöver meißtens nicht mit und kurz vor elf ging mit dem Radio auch oft das Licht aus.

Genau wie bei uns an Bord wurde es zu den Sendezeiten im ganzen Hafen recht still, Grillabende wurden unterbrochen, Gespräche verstummten – mancher hatte einen kleinen Empfänger gleich mit an Land. Das galt für die deutschen genauso wie für die dänischen Zeiten; und drohte Starkwind oder Sturm, so versuchte es jeder danach bei seinem Nachbarn: "Na, was sagt der Deutsche/Däne – können wir morgen raus?"

Ich bin seit meiner Jugend an den dänischen Wetterbericht gewöhnt, 1062kHz, jedes Radio an Bord musste Mittelwelle empfangen können. Der deutsche, auf NDR Info Deutschlandradio oder Deutschlandfunk war uns immer zu langsam und träge gesprochen – morgens wachte man davon nicht auf und abends schlief man gleich ein. Vor einigen Jahren fingen die Dänen dann an zu sparen: Erst wurden viele der Vorhersagegebiete gestrichen (so zum Beispiel die Hebriden und Teile des Nordatlantiks), dann fielen einzelne Sendezeiten weg und erst der Protest der Sport- und Berufsschiffahrt brachte uns die Zeit von 08:45Uhr für einige Jahre zurück. Dann wurde der Mittelwellensender abgeschaltet und nur noch auf Langwelle gesendet, der Sprecher durch eine Computerstimme ersetzt…

Die Wettervorhersagen hingen immer öfters im Hafen aus und es kamen neue Medien hinzu: Das Wetter kam als SMS, über das Telefon oder Internet an Bord. Trotzdem blieb die Übertragung des Seewetters über das frei empfangbare Radio für uns die wichtigste Quelle für unsere Törnplanung.

Der Wetterbericht bringt einem aber nicht nur Sicherheit für die eigene Planung, er ist auch ein Anstoß für die Erinnerung an vergangene Reisen und eine Quelle der Phantasie. Wer wünscht sich nicht nach Bornholm, bei 25°C und 7m/s aus Norwest, wenn bei einem selber draußen der Sturm heult und der Regen über das Deck peitscht? So manches Mal auch habe ich bei der Winterarbeit am Boot den Seewetterbericht eingeschaltet und die Gedanken gingen fort von Arbeit und Kälte, hin zu Plänen für die kommende Saison.

Seewetter

All dies soll aber nicht mehr sein! 2014 sollen (zumindest in Deutschland) die Lang- und Mittelwellensender abgeschaltet werden. Die Begründung ist einfach: Die nicht mehr messbare Zahl der Hörer rechtfertigt nicht den Erhalt der teuren und energiehungrigen Sendeanlagen; außerdem werden die Frequenzen für den Ausbau des neuen Digitalradios benötigt…

Für uns ist das absolut nicht nachvollziehbar! Diese Entscheidung geht auf Kosten der Sicherheit von Sport- und Berufsschiffahrt, den kein modernes Medium hat eine solche Sendereichweite wie das gute alte analoge Radio. Wer mal versucht hat ein Handynetz mitten auf dem Kattegatt zu finden, der weiß wie unzuverlässig der Empfang per Telefonansage oder SMS ist… von einer Datenverbindung für das Internet mal ganz zu schweigen. Was also bleiben uns für Möglichkeiten, was gibt es überhaupt?

  • Telefon – Wetterbericht per Bandansage (zum Beispiel in Dänemark von DMI unter der Nummer 1853), SMS Dienste oder Internet mit Datenverbindung. Alle Möglichkeiten mit dem Telefon setzten nicht nur ein vorhandenes Mobilfunknetz voraus, sondern sind auch mit extra Kosten verbunden – z.B.: Roaming Gebühren.
  • WLAN – In vielen Häfen gibt es mittlerweile ein WLAN, dieses lässt sich per Laptop, Tablet oder Smartphone leicht zum Empfang der Wetterberichte nutzen… leider aber nur vor Ort und auch nicht immer kostenlos.
  • Aushänge im Hafen – Die klassische Möglichkeit vor Ort – egal ob ausgedruckt auf Papier oder auf einem Monitor – leider nicht auf See verfügbar.
  • Seefunk – Wer eine Seefunkanlage an Bord hat, kann den Wetterbricht auch über die Quelle beziehen, in Reichweite der Funkstellen zum Beispiel über DP-07.
  • NAVTEX -„NAVigational TEXt Messages“ werden vor allem in der Brufsschiffahrt genutzt und setzen einen besonderen Empfänger voraus. Mittlerweile gibt es diese Empfänger auch schon für den PC, sie sind aber nicht ganz billig.
  • Seewetter im Radio – Die klassische Methode per Mittel- und/oder Langwelle: Einfach, günstig, gut zu empfangen, lokal und in vielen Sprachen. UKW und das kommende Digitalradio scheiden wegen ihrer Sendereichweite aber nahezu aus.

Es sind aber nicht nur die höheren Preise für die Empfangsgeräte oder Dienste, die manche der genannten Methoden schwierig bis unmöglich machen – es sind auch die bautechnischen Änderungen am Boot. Wir haben auf LOTTE zum Beispiel keine Möglichkeit draußen am Mast eine Antenne zu befestigen, ohne den Charakter der alten Dame zu verändern…

Was also bleiben uns für Möglichkeiten, wenn die Frequenzen 2014 abgeschaltet werden? Vielleicht kommt bis dahin ja auch noch Hilfe von anderer Seite, denn die Mittel- und Langwellensender werden ja nicht nur auf See genutzt: Mit der starken Sendeleistung und Reichweite werden die deutschen Sender auch von vielen Deutschen im Ausland gehört und die öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten erfüllen damit ihren ureigenen Auftrag für den wir immerhin auch monatliche Gebühren zahlen.

Trotzdem müssen wir abwarten und dann wohl verschiedenes ausprobieren… erstmal aber haben wir aber noch diese Saison vor uns und in der wird es noch heißen: "Wir wünschen allen Seeleuten und Sportschiffern eine gute Fahrt!"

Kategorien: Allgemein, Technik, Törns

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