Folkeboot Lotte

ein halbes Jahrhundert auf der Ostsee

Strom auf einem Folkeboot – was soll denn das? Diese Aussage habe ich früher öfters gehört, aber auch heute wundern sich noch einige über mehr als eine Pumpe und Positionslaternen auf einem Klassiker dieser Größe.

Als ich vor 25 Jahren LOTTE erbte, gab es tatsächlich nur 3 Leitungen an Bord: Achterlicht, Zweifarbenlaterne vorne und ein (nicht funktionierender) Pinnenpilot. Gespeist wurde alles von einer Autobatterie, die aber, mangels Ladegerät, fast immer leer war. Relativ schnell installierte ich ein einfaches KFZ-Ladegerät im Schapp und damit konnten wir die Batterie laden – andere Verbraucher gab es aber noch nicht.

Da wir uns zum Laden Landstrom legten, wurden Kuchenbude und Kajüte mit einer normalen Klemmlampe erleuchtet, der Weltempfänger hatte Batterien und der Walkman lief mit Akkus – Pumpe, Funk oder gar Handy waren nicht vorhanden.

Über die Jahre kamen dann aber immer wieder die selben Gedanken hoch:

“Wäre es nicht schön Licht einschalten zu können?”

“Warum gibt es kein Radio?”

“Wäre eine elektrische Bilgenpumpe nicht auch was nettes?

So wurde Ende der 90er das erste Autoradio installiert, das riesige Hand-GPS bekam ein Kabel für die Stromversorgung und an den Kojen gab es plötzlich Licht. Alle Kabel wurden an den alten Sicherungskasten gepfuscht, die Querschnitte waren falsch, die Batterie zu schwach und das Ladegerät nicht für diesen Zweck gedacht.

Über viele Jahre fand dann eine Evolution in der Elektrik/Elektronik an Bord statt: Das erste Autoradio wich einem mit CD, da dieses aber keine Langwelle empfangen konnte, wurden kurzerhand beide installiert – mit einem kleinen Umschalter für die Spannungsversorgung und die Lautsprecher.

2003, für den zweiten großen Schwedentörn, bekam LOTTE dann Funk; zusätzlich wurde das Vorschiff mit Licht versehen – jetzt war unsere alte Dame schon voller Kabel und Spielereien.

2006 führten wir im Sommer einen Versuch mit einer Kühlbox durch, leider waren sowohl das Ladegerät als auch die Batterie zu schwach dafür und so tranken wir weiterhin unser Bier wieder bilgen-kalt.

2007 folgte die erste große Aufräumaktion: Der alte Schaltkasten wurde modernisiert, ein “richtiges” Ladegerät installiert und vor allem flogen endlich die unbenutzten Leitungen aus dem Boot.

Im Zuge dieses Umbaus wurden die zwei Radios wieder durch eins ersetzt (jetzt mit Bluetooth, USB und vielen bunten Lichtern), jede Koje bekam eine 12V Steckdose und endlich wurde auch die Pumpe wieder richtig betriebsbereit gemacht. Leider verzichteten wir auf einen kompletten neuen Kabelzug, das Flickwerk wurde also noch größer.

In den kommenden Jahren gab es nur kleinere Anpassungen: Die 12V Steckdosen an den Kojen wurden durch USB-Dosen ersetzt, und unser Tablet-Halter beim Mast bekam eine eigene Stromversorgung.

2017 folgte dann der nächste Versuch mit einer Kühlbox, dieses Mal eine Version mit Kompressor, und endlich konnten wir auch im Sommer abends ein kühles Bier trinken und morgens die Butter auf das Brot streichen.

2018, auf dem nächsten großen Schwedentörn, merkten wir dann, dass unser System zu sehr auf nächtliches Laden ausgerichtet war – ab dem zweiten Abend wurde es dann eng mit dem Kühlen, Navigieren und Laden der Handys.

So reifte der Entschluss, dass wir in diesem Winter einmal alles neu machen:

  • die kleine Batterie wird durch eine mit höherer Kapazität ersetzt
  • es wird ein Batteriemonitor installiert, der jederzeit den aktuellen Ladezustand der Batterie kennt und ggf. bei Unterschreiten von einstellbaren Grenzen warnt
  • der alte Verteilerkasten wird von Grund auf neu designed
  • alle Kabel fliegen raus, es werden neue Leitungen mit korrekten Querschnitten eingezogen
  • das Radio und die Lautsprecher fliegen raus, wir nutzen seit Jahren nur noch einen kabellosen Bluetooth-Speaker
  • die alten USB Dosen an den Kojen werden durch Power-USB Dosen ersetzt
  • die USB Dose für unser Navi-/Multimedia-Tablet wird durch eine mit USB-C ersetzt
  • die Lampen werden auf LED umgerüstet
  • die Halter und Kabel für das seit Jahren nicht mehr funktionierende GPS werden zurück gebaut

Am längsten dauerte bis jetzt die Planung und Vorbereitung: Welche Teile wollen wir verbauen und wo bekommen wir diese her? Gerade bei den verschiedenen Kabelschuhen für die vielen Kabelquerschnitte mit unterschiedlichen Ring-Durchmessern war das eine Arbeit für viele Abende vor dem Computer.

Ende Januar hatten wir alle Teile ausgesucht und dann konnte es losgehen – zuerst mit dem Kasten selber. Wir hatten (mit einigen Mühen) ein Universalgehäuse 300x230x111 gefunden und dieses bekam jetzt die Ausschnitte für die Einbaugeräte, und die Bohrungen für die Kabeldurchführungen.

Das alte Stromkreisverteiler STV106 sollte wieder verwendet werden, dazu kamen der neue Hauptschalter und der Batteriemonitor BLS von der Firma Philippi.

Nach dem die Ausschnitte in dem Kasten fertig waren, wurde dieser mattschwarz lackiert und alle Teile konnten eingebaut werden.

Von außen sah unser Kasten jetzt schon fertig aus, die inneren Werte fehlten aber noch komplett.

Unser Universalgehäuse bekam als erstes eine Montageplatte, auf der wir dann die einzelnen Elemente befestigen konnten. Im Prinzip wollten wir den Kasten ähnlich wie seinen Vorgänger aufbauen: Es gibt eine zentrale Masseschiene und dann, auf zwei Hutschienen, die Verteiler für die einzelnen Kreise. Dieser Aufbau hat sich das letzte Jahrzehnt über bewährt und außerdem ist er nicht nur günstig, sondern auch gut zu erweitern.

Am Ende hatten wir zwei getrennte Bauteile: Einen Deckel mit allen Bedienelementen und vorkonfektionierten Kabeln für den späteren Einbau, und einen Boden mit allen Anschlüssen für die (noch zu verlegenden) Kabel.

Das Verlegen der Kabel war die nächste Aufgabe und, wie sich schnell herausstellte, auch die nächste große Herausforderung. Die alten Kabel waren ein Sammelsurium von Typen, da gab es Lautsprecherkabel, Niedervoltkabel und viele Sorten von zweiadrigen Flachkabeln, die jeder von seiner Nachttischlampe kennt.

Gerade die letzte Gruppe war sehr viel vertreten, denn diese Kabel gibt es in jedem Baumarkt und sie sind sehr günstig – leider sind sie aber oft zu klein im Querschnitt. Da wir jetzt korrekt dimensionierte Kabel verlegen wollten, merkten wir schnell: Wir kommen fast nirgends durch die alten Durchführungen, die neuen Kabel sind zu dick.

So dauerte das Verlegen der Kabel sehr viel länger als geplant, aber jetzt sitzen sie auch anständig:

  • harte Knickstellen wurden vermieden
  • an Kanten wurde ein Scheuerschutz installiert
  • die Kabel laufen (unsichtbar) entlang kleiner Kabelhalter und nicht mehr lose auf den Planken
  • der große Kabelstrang im Schrank ist sicher verlegt
  • alle Kabel sind beschriftet

Nachdem alle Kabel (mit Ausnahme derer für die vorderen Lampen, denn die mussten leider noch ersetzt werden) endlich im Kasten waren, konnte das Auflegen und Ablängen geschehen – ein kurzer Funktionstest war dann auch sofort positiv!

Als dann endlich auch die beiden neuen Schwanenhalslampen für das Vorschiff bei uns eingetrudelt waren, konnten die letzten Kabel verlegt und der Verteilerkasten final verdrahtet werden.

Als letzter Schritt folgte nun etwas, was unsere alte Dame in ihren fast 60 Jahren definitiv noch nie erlebt hat: Sie bekam ein Softwareupdate!

Danach folgten noch die Anpassungen des Battereimonitors an unseren Batterietyp und die Kapazität, dann konnten wir den Kasten schließen und jetzt wartet er auf den ersten Einsatz auf einem Törn.

Kategorien: Technik, Winterarbeit

4 Kommentare bisher.

  1. Hans-Georg sagt:

    Also wenn ihr was macht, dann macht ihr das ordentlich und sorgfältig. Ist toll geworden.

  2. Ralf sagt:

    Moin, das erinnert mich in den Anfängen (leider nicht in der Umsetzung bei uns) schwer an unseren Mahagoni-Vierteltonner Watnu. Ich musste allerdings gerade feststellen, das die Tendenz zur Wildverkabelung auch auf neueren und größeren Booten mit Bus-System nicht abnimmt. Asche auf unser Haupt.
    Liebe Grüße aus Antigua

  3. Jürgen Kopf sagt:

    Also Klasse!
    Einer Werks- und Inbetriebnahmeprüfung nach Güteprüfmerkmalen würde ich gelassen entgegensehen, QM ist überzeugt.
    Weiter so und liebe Grüße
    Jürgen

  4. Björn Ole Pfannkuche sagt:

    Puh, dann bin ich ja beruhigt 😉