Die Nacht in Sønderborg war ruhig aber eisig… so blieben wir lange in der Koje und warteten, bis die Morgensonne kräftiger war. Obwohl die Sonne zum Segeln einlud, die Tage auch schon wärmer wurden und die nette Dame im Hafenkiosk extra für uns 4 Brötchen buk, war es ein komisches Gefühl so allein im Hafen zu sein. Als, während unseres Frühstücks, dann auch noch unser einziger Nachbar ablegte, waren wir ganz allein am Steg – und das Anfang Mai. Vom Parkplatz, der noch mehr Boote als Autos beherbergte, klangen die Geräusche von Schleif- und Poliermaschinen. Es wurde gewerkelt und so manch einer stöhnte beim hundertsten Erklimmen der langen Leiter zum Boot, mit dem schweren Werkzeugkasten in der einen Hand und dem Sammelsurium alter Pinsel in der anderen. So schön die Arbeit am Boot in der herrlichen Sonne auch sein mag, so froh waren wir mit allem fertig zu sein. Während im kleinen Yachtshop des Hafens noch eifrig über das beste Antifouling oder den schönsten Grill diskutiert wurde, überlegten wir, welches Ziel wir mit den südlichen Winden am besten erreichen konnten. Sollten wir weiter nach Norden, oder vielleicht mal in die Flensburger Förde?
Der Seewetterbericht und eine WhatsApp Nachricht nahmen uns die Entscheidung ab: Der kommende Tag sollte Starkwind aus Südwest bringen und Nino fragte, ob wir vielleicht mal bei dem Mast von Seewiefke vorbeischauen könnten, da sei etwas fest gegammelt und kaputt.
Unter vollen Segeln, die Schäfchenwolken am blauen Himmel beobachtend, liefen wir in Richtung Förde und dem Hafen von Langballigau. An den Ufern zeigte sich das erste zarte Grün und wir waren neben den Seevögeln fast die einzigen auf dem Wasser – die uns in alle Glieder fahrende Kälte zeigte uns auch schnell warum. Nach 3 Stunden waren wir durchgefrohren und erfreuten uns in einer sonnigen aber windstillen Ecke des Hafens erst mal an einem leckeren Fischbrötchen. So still war ich Langballigau gar nicht gewohnt, aber den üblichen Mengen an Motorradfahrern war es wohl auch noch zu kalt und so hatten wir Ruhe.
Die Sache mit dem Mast gestaltete sich dann doch schwieriger als erwartet; er lag in einer Halle an der B199, noch hinter Langballig, 3,5km von uns entfernt und wäre mit dem Auto von Gelting aus sicher schneller zu erreichen gewesen… Aber versprochen ist versprochen und so machten wir uns auf den Weg, erst zur falschen Halle (ja Nino, es gibt 2 verschiedene grüne Hallen in der Gegend) und dann über Stock und Stein zur richtigen. Dort stellten wir fest, dass der Tür-Code nicht funktionierte… und später, dass der Mast weder kaputt noch vergammelt war! (Es geht doch nichts über etwas rohe Gewalt und eine Dose WD-40.) Auf dem Rückweg trieb Robbi mich dann an, nicht etwa wegen der Kälte der einsetzenden Dunkelheit, nein, er wollte die Heute Show gucken. Zu diesem Zweck hatten wir testweise extra einen mobilen DVB-T Empfänger ausgeliehen, dieser (nicht größer als eine Streichholzschachtel) streamt das Fernsehprogramm via WLAN direkt auf unser Tablet.
Am nächsten Morgen war von Starkwind nichts zu merken. Der Wind kam zwar frisch aus Südwest, aber sehr konstant und überhaupt nicht stürmisch. Wir beschlossen nach Osten zu Segeln, hinter Kalkgrund wollten wir uns dann spontan für Schleimünde oder Mommark entscheiden.
Die Entscheidung fiel auf die Schlei und so ging es, dicht unter der Küste, in Richtung von Falshöft und dann weiter zu den fünf markanten Bäumen. Wenn wir in die Schlei wollen, dann ist es immer das Gleiche: Wir kommen aus einer beliebigen Richtung mit bestem Wind für unser Ziel und 4 bis 5 Meilen vor Schleimünde dreht der Wind, wird stärker und wir werden auf einem harten Anlieger richtig nass! Kurz vor dem kleinen Leuchtturm nahmen wir die Segel runter und dann ging es unter Motor in den kleinen Hafen, eine gute Entscheidung. Schon beim Passieren der Mole drehte der Wind richtig auf und wir konnten gerade noch sicher neben einer Schäre und einem Drachen festmachen, bevor dann das Hafenspektakel begann: Auf der Seite beim Hafenmeister (und den Toiletten) versuchten einige mit achterlichem Starkwind anzulegen – die Flüche, das Splittern von Holz und aufgeregte Schreie drangen gegen den Wind bis zu uns hinüber.
Leider hatte die Giftbude zu, und so gab es kein leckeres Einlaufbier mit Blick auf die See. Wir kochten an Bord und ich musste Robbi versprechen „nie wieder Einweg-Grills“! Als er nach über einer Stunde unsere Steaks durch hatte, hingen unsere Mägen schon bis in die Bilge…
Von Schleimünde wollten wir dann nach Høruphavn, nach unserem Auftakt in Sønderborg eine weitere Station in LOTTEs 50-jähriger Geschichte. In die Förde zu segeln ist aber so ähnlich wie in die Schlei, irgendwann muss man kreuzen, so auch dieses Mal. Statt des angesagten Südost bekamen wir einen schwachen Nordwest und so wurde aus der anfänglichen Rauschefahrt ein sehr gemächliches Treiben. Für uns war das aber kein Problem, die Luft war merklich wärmer als noch wenige Tage zuvor und ohne Termine konnten wir uns Zeit lassen. Auch wenn wir am Ende nur noch knapp über einen Knoten machten, so nahmen wir die Segel erst im Hafen runter.
Während ich mich auf den Weg zum Brugsen machte – ja, auch Sonntags kann man hier bis 21 Uhr einkaufen – machte Robbi das Boot hübsch… es könnte ja ein alter Bekannter vorbei kommen. Und dieser kam dann auch tatsächlich. Peter, der LOTTE mit seiner Familie von 1987 bis 1991 besessen hatte kam vorbei und beguckte jede Schraube. Er war glücklich über den guten Zustand von „seinem alten Boot“ und berichtete viel über LOTTEs Geschichte. (Nach diesem Besuch haben wir erst mal die Seite mit der Geschichte des Boots überarbeitet.)
Nach einem ausgedehnten Frühstück mit dänischen Spezialitäten – die Kälte der Ostsee zu dieser Jahreszeit erweist sich zumindest als Kühlschrank von Vorteil – ging es dann wieder in Richtung Wackerballig; wir hatten versprochen schon mal nach Seewiefke zu gucken und das am besten mit einem ganzen Tag Vorlauf zum Krantermin am Mittwoch. Während es in Hørup noch sonnig und leicht windig war, begrüßte uns die Ostsee mit schlechter Sicht und absoluter Flaute.
Es ist eine ganz besondere Stimmung, wenn man hinter sich die sonnenbeschienenen Steilküsten von Als sieht und vor einem die Seezeichen erst ganz langsam aus dem Dunst hervor kommen.
In Wackerballig angekommen, kamen wir erstmal nicht weit – auf dem Weg nach Markerup, und damit zu Seewiefke, trafen wir sogleich auf Werner, den Hafenbesitzer, und da gab es viele News und auch viel Küstenklatsch. Nach kurzer Zeit gesellte sich Peter zu uns, er hatte sich gerade ein funkelnagelneues Folkeboot gekauft und das wollten wir natürlich gerne sehen! Beim Angucken blieb es nicht und so kamen wir erst nach dem Bohren neuer Löcher für die Persenning zum Auto.
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4.25 knots
Gesamtzeit: 23:32:28
Es war eine schöne Tour in unserem Hausgarten, nicht weit, aber Segeln pur!
Seewiefke war ein trauriger Anblick: Dreckig, ohne Fenster und zum Teil noch nicht mal gespachtelt wartete sie einsam auf ihren Krantermin am Mittwoch. Wir machten Bilder und telefonierten mit Nino als gerade der Bootsbauer noch mal vorbei schaute… er wusste nichts von dem Termin am 8. Mai und war vom 17. ausgegangen. Wir erklärten ihm alles noch mal, ließen ihn mit Nino telefonieren und versprachen am nächsten Tag noch mal nach Seewiefke zu schauen.
Am Dienstag, wir wollten gerade wieder nach Markerup und danach nach Flensburg zum Training, kam Werner mit seinem Werker, um einige neue Pfähle zu setzen. Wir packten die Gelegenheit beim Schopf und baten ihn, ob er nicht unseren zweiten Heckpfahl rausnehmen könne. Dieser wurde vor Jahren mal gesetzt, weil unser Motor leicht über die Box hinaus ragt, aber er stört extrem beim Anlegen.
Unter den scharfen Augen des Bordhunds wurde der Pfahl dann einfach gepackt…
… zumindest der kleine, aus dem Wasser ragende, Teil…
…Werner hatte daran sichtlich seine Freude…
…und gleich wo anders wieder eingerammt. Es ist schon erstaunlich, wie lang diese Dinger sind. Auf die Frage, warum der Pfahl noch so gut aussehe (in der Förde gibt es ja solche Probleme mit den Bohrmuscheln) gab es auch gleich eine Antwort: Die besten Pfähle sind die alten teerimprägnierten Telefonmasten, man darf sie zwar nicht mehr herstellen, aber eben noch weiter verwenden. Da geht keine Muschel rein!
Am Mittwoch trafen wir uns mit Nino – es war auch noch sein Geburtstag – um 10Uhr bei Seewiefke. Der Bootsbauer hatte mittlerweile einige Arbeiten abgeschlossen und als Provisorium die alten Fenster wieder eingesetzt aber es gab noch viel zu tun: Bis das Boot gegen 14Uhr abgeholt wurde, waren wir am Polieren und Putzen während Motorenschlosser und Bootsbauer „letzte“ Arbeiten verrichteten.
Wer immer behauptet, dass ein Plastikboot keine Arbeit mache, der ist herzlich eingeladen im nächsten Jahr zu helfen – aber mit einer guten Poliermaschine….
…kommt man auch bei altem Kunststoff voran.
Das Kranen war problemlos, aber ein kurzes heftiges Gewitter und das händische Starten des Motors durch einen Kurzschluss mittels Schraubenschlüssel zerrte dann doch an Ninos Nerven. In Wackerballig begannen wir erstmal das Boot wohnlich zu machen, während Robbi Gunther vom Bahnhof abholte – dann wurde Geburtstag gefeiert! Geplant war eigentlich eine Feier mit Horst und Roland, den Betreibern der Marina Lounge. Diese hatten den Laden aber kurzfristig abgegeben und so probierten wir die neuen Betreiber: Das Ambiente ist das Gleiche und das Essen noch immer sehr gut!
Den Donnerstag streichen wir lieber aus unserm Gedächtnis – die Videos dürfen wir nicht veröffentlichen – gesagt sei nur so viel: Nach dem Robbi nach 6 Stunden mit dem Deck von Seewiefke fertig war, musste er unter die Dusche und die vorbeikommenden Leute fragten, ob das eine neues Teak Deck sei…. Als Belohnung ging es dann nach Kappeln…
…und nach einem kurzen Gang über die Heringstage zu Robbis Lieblings-Griechen.
Am Freitag setzten wir dann endlich wieder Segel! Mit beiden Booten ging es hinaus auf die Geltinger Bucht und bei West um 5 Beaufort wurde es ein rauschende Fahrt.
Während Seewiefke – nur unter Genua – locker an uns vorbeizog….
…begegneten uns andere Boote, selten geworden in unseren Zeiten.
Da unsere Freunde Høruphavn noch nicht kannten, setzten wir wieder Kurs auf LOTTEs alten Heimathafen. Bei der Ansteuerung waren wir erstaunt, wie grün die Bäume in nur einer Woche geworden waren!
An einem ganz neu errichteten Grillplatz direkt am Wasser, gab es ein schönes Abendessen und dann kamen wir mit zwei Jungs ins Gespräch, die auch auf einem Folke segelten – es wurde ein lustiger Abend an Bord von Seewiefke mit viel Leergut für den nächsten Morgen.
Für Samstag Nachmittag waren Starkwind und Gewitter angesagt und so machten wir uns früh auf den Rückweg. Bei einem reinen (und dazu auch noch recht schwachen) Süd wurden die 9 Meilen an der Kreuz recht lang, aber wir erreichten gut Wackerballig und konnten vor dem Weltuntergang noch die Segel auftuchen und Ordnung in die Boote bringen. (Bei uns hatte sich in einer der wenigen Böen unsere Schubladenhalterung gelöst und die umher fliegende Schublade Chaos verursacht…) Dann ging es los: Innerhalb von Minuten wurde es pechschwarz, plötzlich krängten die Boote im Hafen um 20 bis 30°, Dinge fielen von den Tischen und Regen peitschte waagerecht die Boxengasse entlang – wie gut, dass wir sicher im Hafen lagen! (Auch wenn sich nun zeigte, dass die provisorischen Fenster auf Seewiefke genau so undicht waren, wie ihre Püttinge.) Genau so schnell wie es gekommen war, beruhigte sich das Wetter auch wieder, die Front zog weiter und wir bekamen noch einen schönen Sonnenuntergang.
Der erste Törn – oder besser unsere ersten beiden Törns – waren ein schöner Auftakt für die neue Saison! Jetzt freuen wir uns schon auf Pfingsten, mit etwas Glück haben wir dann bereits unsere neue Persenning.
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4.29 knots
Gesamtzeit: 02:13:23
Auf jeden Fall wollen wir über die Tage weitere Freunde treffen; Bärbel und Helmut sind seit einer Woche mit ihrem neuen Boot unterwegs und wenn es auch kein Folke mehr ist, so wollen wir sie doch wieder sehen!
Hmmmm, sehe ich da Karrisild auf dem Frühstückstisch?