Folkeboot Lotte

ein halbes Jahrhundert auf der Ostsee

Jetzt, kurz vor dem Beginn der neuen Saison, sinniert sicher jeder über seine ganz eigenen Vorstellungen und Träume für einen schönen Segelsommer. Sind es für die einen die alljährlichen Regatten, so gehen andere lieber auf große Fahrt und fragen sich: „Gibt es besonders schöne Stellen an denen wir lange nicht mehr waren und sollen wir mal eine ganz andere Route probieren?“  Da werden neue Karten für unbekannte Ziele gekauft oder in alten Logbüchern geblättert und schon kommen einem Bilder in den Kopf.

Uns geht es ganz genauso und so versuchen wir auf unseren Sommertörns neues zu ergründen und in der restlichen Saison an altgeliebte Erinnerungen anzuknüpfen. Doch das ist gar nicht mehr so einfach, in den letzten fünf Jahren haben sich die Randbedingungen für das Segeln an vielen Orten grundlegend geändert. Aus kleinen dänischen Fischerhäfen mit Platz für ein paar Segelboote sind große Marinas geworden – es gibt mehr Boxen aber keinen Charme… dafür viel technischen Schnickschnack wie automatische Bezahlsysteme und Codeschlösser an den Stegen.

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Noch vor wenigen Jahren sah das ganz anders aus; der typische Hafen einer kleinen dänischen Insel war ein Becken neben dem Fähranleger. Da dieser meist nicht weit vom Ufer weg war, hatte jeder Hafen eine ähnliche Verteilung, dicht an Land waren kleine Boxen für die Motor- und Fischerboote, dann – mit steigender Wassertiefe – kamen etwas größere Boxen für kleinere Segler bis hin zu den Boxen für die „Großen“ (damals die Klasse um 10m Länge). Abends wurde es dann regelmäßig eng in den Häfen, man lag im Päckchen und musste sich mit seinen Nachbarn arrangieren. Dieses ging mit Jung und Alt, in verschiedenen Sprachen und zwischen allen Bootsklassen.

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Je beliebter ein Ort war, desto voller wurde er am Abend und nach der Reise berichtete jeder begeistert von seinen Erlebnissen. Kinder badeten abends im Hafen, Flotten von Jugendlichen kamen in Jollen zum Campen, es wurde gegrillt und oft auch musiziert. Kam unhandiges Wetter auf half einer dem anderen und in der Flaute bekam man unfreiwillig so manchen Streit auf einem entfernten Boot mit. Sicher gab es auch Schattenseiten, die wenigen Toiletten waren überfüllt, die Kabeltrommel auf dem Steg glühte nach Anschluss der zwanzigsten Bootes einfach durch, die Fähre verursachte Schwell oder die Fischer liefen um 4 Uhr in Scharen aus… aber gerade diese Dinge machen einen Hafen authentisch!

Sommer '07  -  170Heute sind viele dieser Flecken verschwunden – um das alte Hafenbecken wurde eine Mauer gezogen, das Becken auf 3m ausgebaggert und neue Stege mit einzelnen Anschlüssen für Strom und Wasser wurden installiert. Jetzt hat (fast) jeder seine eigene Box, man muss nicht mehr mit seinem Nachbarn reden (der könnte ja auch aus einem anderen Land kommen und dann eine andere Sprache sprechen) und das lästige Geldwechseln beim Hafenmeister fällt auch weg… der Automat ließt ja Kreditkarten. So ein neuer Hafen hat natürlich auch einiges gekostet und das muss jetzt wieder reinkommen, gab es vor 2005 in fast jedem Hafen noch die Klassen „unter 6m“, „6 – 8m“, „8 – 10m“, „10 – 12m“ und „über 12m“, so heißt es jetzt: „Unter oder über 10m?“ Für ein Folkeboot bedeutet das nicht selten eine Steigerung von über 100%, jetzt allerdings zuzüglich Strom, Dusche, Internet und häufig sogar Wasser. Das Resultat wurde sehr schnell ersichtlich, viele fragten sich warum sie noch mit kleinen Booten segeln sollen, wenn diese nicht mal mehr im Hafen billiger sind. In den letzten Jahren sind die Boote gewachsen und die kleineren verschwinden immer weiter – und es sind nicht nur die Folkeboote, auch H-Boote, Jollenkreuzer, alte Biancas und viele der beliebten Klassen verschwinden.

Sommer '07  -  180 Vor 10 Jahren haben wir auf unseren Sommertörns jeden Tag eine Familie (Vater, Mutter, mind. ein Kind und manchmal einen Hund) auf ihrem Folkeboot getroffen, im letzten Jahr waren es 3 Crews in der ganzen Saison. Es ergeben sich kaum noch die netten Bekanntschaften wie früher, die Boote sind größer, haben alles an Bord und man trifft keinen mehr beim Frühstück auf der Bank an Land oder beim Abwasch… für uns ist das sehr schade!

Wenn man etwas über den Tellerrand hinaus guckt, dann fällt einem noch etwas auf: Viele "Segler" können garnicht mehr richtig segeln! Wie oft sind wir schon über den ganzen Hafen hinweg angeschrien worden "Segeln ist im Hafen verboten!" Klar, wer die ersten Erfahrungen auf einer 40 Fuß Yacht macht, der hat dieses Gefühl nie kennen gelernt wie es ist in einen Hafen zu Segeln und nicht zu wissen, ob man einen Platz findet… Manchmal muss man dann Manöver ganz ohne Motor fahren (vom Bugstrahlruder ganz zu schweigen) und hinterher ist man stolz darauf wirklich etwas geleistet zu haben. 

Sommer'10-577Die kleinen Boote und mit ihnen die kleinen Häfen werden weniger – aber noch gibt es sie: Birkholm, Kalvø oder der alte Hafen auf Drejø sind nur einige Beispiele in unserer Nähe und wir werden sie besuchen so lange es geht!    

Manchmal gibt es aber auch einen Lichtblick am Horizont, Æerøskøbing (jahrelang von uns gemieden, da dort schon sehr früh mit Chipkarten und Automaten rum experimentiert wurde) will in dieser Saison wieder einen Hafenmeister einstellen – wir lassen uns überraschen!

Kategorien: Allgemein, Törns

Ein Kommentar bisher.

  1. Michael sagt:

    Moin, die Herren!

    Ich wollte nur mal meine Anerkennung für eure neue, liebevolle Website loswerden! Euch einen feinen Sommer und viel Spaß mit der jublierenden Klinkerkiste!


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