Am Ende der "Wintersaison" ist es immer das Gleiche: Die Arbeitstage werden länger, die Zeit rennt nur so davon und bei jedem Problem fängt man an zu rechnen und den Terminplan um zu stricken. Eine etwas kältere Nacht und der Lack trocknet nicht schnell genug, irgendeine Schraube passt nicht mehr in das alte Loch oder (wie leider in diesem Jahr) versucht ein Vogel sein Nest auf dem frisch lackierten Mast zu bauen…
Am vergangenen Donnerstag wollten Robbi und Sebastian das Boot Polieren, leider gab es einige Unstimmigkeiten wegen dem Material und so war zu wenig feines Schleifpapier vorhanden. Für uns war das mal wieder ein Rückschritt, aber wo ein Sebastian ist, da ist ein Wort: Er schnappte sich von Robbi den Schlüssel zur Halle, ließ sich die Technik dort erklären und versprach am Samstag morgen um 6Uhr weiter zu machen. Diese frühe Zeit musste sein, da er um 11Uhr sein Studio aufmacht und vorher möglichst viel schaffen wollte.
Als ich gegen 8Uhr mit frischem Kaffee und Brötchen auftauchte, war er voll in Action aber man erkannte gleich: Fertig wird er an diesem Vormittag nie. Die Kälte an unserem Lackierwochenende hatte einfach zu viel Lacknasen verursacht und auch wenn man sie gut auspolieren kann, so kostet das doch enorm Zeit. So wurden am Morgen vor allem die Stellen behandelt, die auf unserem kritischen Pfad für die weiteren Arbeiten lagen und Sebastian versprach am Abend wieder zu kommen. Unsere erste Herausforderung – noch waren wir frisch und konzentriert – bestand dann wieder darin einen schönen Wasserpass zu kleben, eine Arbeit die einige Stunden kostet. (Wenigstens haben wir immer noch ein wenig der guten alten Wasserpassfarbe und so dauert die Lackierung pro Seite maximal 15 Minuten.)
Bevor wir dann an weitere Arbeiten denken konnten, bekamen wir erst einmal Besuch: Johannes, selber Besitzer eines alten Holzfolkes und mit uns seit längerem in eMail-Kontakt, hatte ein Problem mit seinem Reitbalken und da konnten wir natürlich helfen. Aus einigen alten Fenstern entstanden recht schnell Ersatzteile und Holzproppen – als Folkebootler muss man sich doch gegenseitig helfen!
Mit der Aufarbeitung einiger Beschläge, dem Schleifen und Lackieren des Masts sowie der gründlichen Reinigung des Bootes von innen ging der Tag schnell vorüber und schon war Sebastian wieder da. Er polierte zuerst die ganzen Einbauteile aus der Kajüte (der Klarlack, gespritzt auf die liegenden Teile, war sehr viel besser im Finish und brauchte fast garnicht poliert werden), die wir dann sofort im Boot verbauten.
Ein großes "Aha-Erlebnis" war dann noch das Nebenergebnis unserer Reinigung: Nach dem gründlichen Saugen wurden alle Planken (und Spanten) nass gewischt; dabei tropfte so viel Wischwasser durch die getrockneten Plankenstöße nach außen, dass wir uns lieber noch eine zweite Tauchpumpe für die erste Nacht im Wasser organisieren werden… Beim Reinigen fanden wir dann auch noch einige kleinere Stellen für letzte "Lacktupfer", eine gute Gelegenheit um Feierabend zu machen.
Über all die vielen Arbeiten war es mittlerweile schon nach Mitternacht geworden…
… und da unsere eigene Abklebe-Zeitung uns ermahnte,…
machten wir uns nach den letzten Lacktupfern auf den Heimweg.
Am Sonntag konnte Sebastian leider nicht – er hatte tatsächlich etwas "anderes" vor – und meine Hoffnung war nur, daß er mit diesem Gedanken nicht Robbi angesteckt hatte. Mit steifen Knochen und noch sehr müde machte dieser sich aber, nach einem schönen Frühstück mit Oma, wieder mit mir auf zur Halle und damit zur Arbeit. Vorher hieß es für uns aber noch Schleppen: Alle Segelklamotten, Küchenuntensilien, Polster, Seekarten, Segel, Elektronik und andere Teile die nicht über Winter in der Halle lagerten, mussten vom Dachboden (im vierten Stock) zum Auto gebracht und verladen werden.
Beim Boot gab es dann erstmal einen kleinen Schock, irgendein Vogel hatte in der schönen Morgensonne versucht auf unserem frisch lackierten Mast ein Nest zu bauen und jetzt hing dieser voll mit kleinen Zweigen und Gras… darum wollten wir uns aber später kümmern. Zunächst haben wir alle demontierten Beschläge (wie z.B. die Motorhalterung) wieder montiert und dann das Boot beladen; eine Arbeit die von 11Uhr bis kurz vor Mitternacht dauerte.
Als wir dann mit dem Boot und der Halle fertig waren, wollte Robbi schon zum Auto – aber da war ja noch der Mast! Im Lichte zweier Scheinwerfer haben wir den dann noch geschliffen und neu lackiert… und so wurde es wieder weit nach Mitternacht.
Am Sonntagabend (oder besser Montagmorgen) war "unsere" Arbeit an LOTTE dann soweit abgeschlossen, es fehlte nur noch die Politur. Eine kleine Lacknase wäre sicher nicht so schlimm gewesen, aber es gab eine alle paar Zentimeter und so konnte unsere alte Dame ja nicht in ihrem Jubiläumsjahr zu Wasser! So fuhren Robbi und Sebastian am Montag wieder zur Halle,…
aber auch extrem langwierig! Bis in den frühen Morgen wurde geschliffen und poliert und es grenzt an ein Wunder, dass keiner der Nachbarn plötzlich vor der Tür stand.
Dann war LOTTE fertig! Fertig für die Saison 2013, fertig für ihr fünfzigstes Jahr auf der Ostsee. Es war ein sehr anstrengender Winter, aber ich denke es hat sich gelohnt an dieser Stelle noch einmal vielen Dank an alle Beteiligten: Jørgen für diese tolle neue Website – Patrice für die heile Hallenbeleuchtung – meiner Mutter, Großmutter, Axel, Nino und Gunther für die tatkräftige, kulinarische oder seelische Unterstützung – Jan für das gute Zugfahrzeug (und damit eine riesige Sorge weniger) – Sebastian für die unermüdliche Arbeit (wo er mir doch vor 5 Jahren nur mal zeigen wollte, wie das mit dem Spritzen von Lack so geht). Ohne Eure Hilfe wären wir auf keinen Fall fertig geworden!
Jetzt geht es auf in die Saison 2013 und hoffentlich kommen alle fleißigen Helfer mal mit auf die Ostsee – auf in ein weiteres halbes Jahrhundert für die gute alte LOTTE!