Folkeboot Lotte

ein halbes Jahrhundert auf der Ostsee

08
Jun
2017

LOTTE im Museum

Himmelfahrt und perfektes Segelwetter. Da muss man einfach einen Brückentag nehmen und vier Tage auf dem Boot verbringen. In so vielen Tagen kann man auch einiges an Strecke machen und so hatten wir den Entschluss gefasst nach Svendborg zu segeln und dort in das Dänische Sportbootmuseum zu gehen. Natürlich läuft einem so ein Museum im Allgemeinen nicht weg, aber in diesem Jahr findet dort die Sonderaustellung “Forever young – 75 Jahre Folkeboot” statt, in der auch ein paar Bilder von LOTTE hängen.

Die Wetterprognose sah am Mittwochabend allerdings noch nicht so rosig aus, und so wollten wir ganz spontan entscheiden. Als wir am Himmelfahrtstag aufwachten, sah alles noch nach einem Hafentag aus, denn die Bucht war voller weißer Kämme und die Wanten pfiffen in Böen um 7Bft.. So nutzen wir den verlängerten Morgen erstmal für ein ausgiebiges Frühstück mit Gunthi und Nino, die sich dieses Wochenende bei Janbeck*s einquartiert hatten. Als wir dann gegen Mittag zum Hafen zurückkehrten, sah alles schon ganz anders aus: Der Wind hatte deutlich nachgelassen und kam jetzt mit 4 bis 5 Bft aus Nordwest, die Sonne schien und die Bucht war schon voller Segel. Bei diesen Aussichten machten sich auch LOTTE und Lycka auf den Weg, und bis zum Leuchtturm von Kalkgrund hatten wir eine perfekte Rauschefahrt. Als wir nach Osten abdrehten und der Wind achterlicher kam, holte Lycka deutlich auf und so segelten wir erstmal Richtung Gammel Pøl. Auf dem kleinen Belt kam der Wind noch nördlicher und so wurden wir spontan: Anstatt nach Mommark zu kreuzen, setzten wir Kurs auf Dyreborg.

In dem herrlichen kleinen Fischerhafen erlebten wir erstmal eine Überraschung: wir trafen nicht nur Michael mit seiner Havfruen, sondern auch noch Thomas (der leider kein Folkeboot mehr hat). Das besondere an diesem Treffen war allerdings die Tatsache, dass wir uns gemeinsam das letzte Mal auch in Dyreborg getroffen hatten – zum Ende einer gemeinsamen Folkeboottour im Sommer 2008.

Die verbliebenen Fischer sorgen in der von Wald umgebenen kleinen Anlage immer noch für ein beschauliches Hafenmilieu. Geräteschuppen, Tauwerk und Fischernetze bestimmen das Bild rund um die Liegeplätze. Im benachbarten Wald gibt es ein Wildgehege, dass einen Spaziergang wert ist. Wildschweine gibt es hier zwar nicht mehr, aber Damwild kann nach wie vor beobachtet werden. Durch seine Lage ist Dyreborg ein idealer Platz für weitläufige Wanderungen. Wald und Obstplantagen prägen die nähere Umgebung des Ortes.

Östlich des Hafens soll eine Festung gestanden haben, die die Einfahrt zwischen Bjørnø und Horne Land sicherte. Mauerreste sind allerdings nicht mehr zu entdecken.

Nachdem wir Lycka an der Außenmole vertäut hatten, machten wir uns an die Vorbereitung fürs Grillen – nur an wenigen anderen Orten kann man so geschützt direkt auf der Mole sitzen und mit dem Blick auf die Weiten der See mit Freunden zusammen den Abend genießen.

Am Freitag hatte der Nordwest etwas zugenommen und so konnten wir – nachdem wir noch ein weiteres Mal den herrlichen Platz an der Mole zum gemeinsamen Essen genutzt hatten – mit achterlichen Winden Kurs Svendborg nehmen. Je weiter wir in den Sund kamen, umso voller wurde es – hier war alles auf dem Wasser was schwimmen konnte.

Die geschützte Lage im Svendborg Sund förderte die Entwicklung der Stadt. Zahlreiche Handelsschiffe waren hier schon im frühen Mittelalter beheimatet. Für den Aufschwung Svendborgs, das um 1250 Stadtrechte erhielt, sorgte auch der Klerus. Der Bau von Kirchen zog Handwerker und Architekten in die Stadt, deren Entwicklung durch Kriege und Plünderungen immer wieder gebremst wurde. Die Schweden raubten Svendborg mit der Erstürmung im Jahr 1659 für lange Zeit die Lebenskraft und ein Großfeuer nahm den Svendborgern im 18. Jahrhundert wiederum den Wind aus den Segeln.

Erst mit dem Bau des Hafens Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Voraussetzung geschaffen, um an vergangene Tage anzuknüpfen. Aber erneut verhinderte der verlustreiche Krieg gegen England bessere Zeiten. Darauf folgte der dänische Staatsbankrott 1813. Als Folge des Verlustes von Norwegen waren Agrarprodukte schwer abzusetzen. Handel und Seefahrt gelangten auf einen Tiefpunkt. 1818 waren nur noch 39 Handelsschiffe in der Seefahrtsstadt beheimatet, nachdem es 1807 bereits einmal 77 Schiffe gewesen waren. Nur die Werften profitierten von den Kriegsverlusten. Unter anderem wurden in Svendborg Kanonenboote, Kaperschaluppen und Kanonenjollen gebaut.

Svendborg war nach København die zweitgrößte Seefahrtsstadt Dänemarks geworden. Immer neue Holzschiffswerften wurden gegründet. Darunter auch die weltbekannte, heute noch existierende Ring‑Andersen‑Werft auf der Frederiksinsel in Svendborg, die mitten im Industriehafen liegt und durch eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. Bis zu seinem Tod 1901 baute der Schiffsbaumeister Jørgen Ring Andersen nicht weniger als 84 Schiffe.

Erst um 1840 wurden Segler nach Rißzeichnungen gebaut. Bis dahin war, so unglaublich das klingt, das Augenmaß hauptsächliches Hilfsmittel. Die langen Bordplanken wurden mit Äxten behauen und die Spanten mit großen Beidhandsägen zugeschnitten.

Empfehlenswert ist ein Spaziergang am Sund entlang nach Christians­minde. Der Handelshafen ist geeigneter Ausgangspunkt für diese kleine Wanderung, bei der man am Zollkutter “Viking” vorbeikommt. Die 1897 gebaute, am Uferweg vertäute Yacht gehört dem Museum von Svenborg. Es lohnt sich, in Svendborg von den Ausflugsfahrten Gebrauch zu machen. Die Sundfahrt mit dem Museumsschiff “MS Helge” führt nach Vindebyøre, Christiansminde, Troense, Gråsten und Valdemars Slot. Ein Besuch des Schlosses lohnt sich. Die Sundfahrt kann unterbrochen werden und mit dem nächsten Schiff fortgesetzt werden. Die Fähren legen in ‑ Drejø, Hjartø, Skarø und Ærø an.

Einziger Wehrmutstropfen an diesem schönen Ort sind die Hafenpreise. Für ein kleines Folkeboot, dass sich auch noch in eine winzige Lücke legt, werden 170 DKK fällig – Strom, Dusche und sogar Wasser werden natürlich separat berechnet…

Martin und Lars hatten uns einen schönen Platz neben ihrem Boot im Stadthafen gesichert, und so lag LOTTE nach einem herrlichen Törn im Schatten der großen Malö und wirkte eher wie das unbedeutende (aber durchaus schmückende) Beiboot.

Es gibt keinen Besuch in Svendborg ohne Fisch von Bendixen und da das Museum erst am kommenden Morgen öffnete, genossen wir ein weiteres Essen in der Abendsonne mit Ike und Karin.

Am Samstag hatten wir ein volles Programm: Wir wollten erst in das Museum, dass auf einer kleinen Insel mitten im Hafen liegt und dann direkt nach Wackerballig – die Wetterprognose sprach von Starkwind für den kommenden Tag.

So waren wir schon auf als Martin und Lars ablegten und nach einem (etwas abgekürzten) Frühstück ging es dann in die Ausstellung. Das Yachtsportmuseum war erst vor einigen Jahren von Valdemars Slot nach Svendborg gezogen und reiht sich jetzt in eine Gruppe von Veranstaltungsorten auf der kleinen Insel Frederiksø im Hafen von Svendborg ein.

Neben der Photoausstellung über Folkeboote, auf denen bis zum 1. Oktober neben uns und LOTTE auch noch viele andere uns wohlbekannte Gesichter und Boote zu sehen sind, bietet das Museum einen interessanten Einblick in die Geschichte des Yachtsports in Dänemark.

Nach unserem Besuch verließen wir Svendborg in Richtung Nordwest, der Weg um die Nordspitze von Ærø nach Wackerballig ist um einiges kürzer als der südliche Weg und man hat auch einen günstigeren Kurs. Eher langsam ging es Richtung Belt aber dann kam der Wind und so schafften wir die knapp 37nm in 8 Stunden.

Gesamtstrecke: 36.16 NM
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4.69 knots
Gesamtzeit: 07:58:11
Download file: 20170527.gpx

Zurück in Wackerballig genossen wir noch einen perfekten Sommerabend mit Ike, Karin, Gunthi, Nino und Volker, bevor wir in ganz kleiner Runde mit Werner und Jenny den Törn ausklingen ließen…

Am Sonntag zeigte sich dann, wie gut es war schon im Heimathafen zu sein: Die Bucht war wieder voller weißer Kämme und schon der Aufbau unserer Hafenpersenning war in dem Wind alles andere als einfach. So verließen wir Wackerballig nach einem perfekten Start in eine hoffentlich schöne Segalsaison und mit einem kleinen Abstecher zum Grillen in Heikendorf ging es dann wieder nach Hamburg.

 

Kategorien: Törns

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