Folkeboot Lotte

ein halbes Jahrhundert auf der Ostsee

Wieder ist eine lange Zeit vergangen und auf unserem Blog ist wenig passiert – wie kommt das?

Die Antwort ist ganz einfach: Es ist viel passiert, aber wenig Spektakuläres oder Berichtenswertes. Obwohl wir fast jedes Wochenende auf dem Boot waren, ist die Anzahl der Tage auf dem Wasser in diesem Jahr bis jetzt doch leider recht gering… Nach einem phantastischen Saisonstart zu Ostern wurde das Wetter wieder schlechter und so haben wir um den ersten Mai zwar eine Woche an Bord verbracht, aber nur zwei Tage gesegelt; Pfingsten bestand aus Daysailing, über Himmelfahrt waren wir in Berlin und so stand dann ganz plötzlich der Sommertörn vor der Tür.

Auch unser Sommertörn war dann etwas anders geplant: Da wir in diesem Jahr noch nach Japan wollen, konnten wir nur zwei Wochen auf Tour, und diese sollten Urlaub und Entspannung sein – keine langen Schläge, keine entfernten Ziele und kein Bloggen während der Tour. Daher folgen die Berichte unseres Sommertörn erst jetzt, drei Wochen nach unserer Rückkehr.

Tag 1 – Arbeit gibt es immer (19/VII)

Um dem alltäglichen Stauwahnsinn auf der A7 zu entgehen, sind wir schon am Vorabend nach Wackerballig gefahren, und so beginnt unser Sommerurlaub direkt nach einer ruhigen Nacht an Bord im Heimathafen. Bei bestem Wetter genießen wir das Frühstück im Cockpit und kaufen dann erst ein – dafür, dass wir in den letzten Jahren immer weniger an Vorräten mit in den Urlaub nehmen, füllt sich der Kofferraum doch ganz gut und so verladen wir Brenn- und Treibstoff, Getränke, viel Gemüse und auch einiges an Dosen erst in den Handwagen und dann an Bord.

Sicherlich, wir könnten jetzt direkt die Segel setzen und unseren Törn beginnen, aber wir wollen zum einen gern noch auf Ike&Karin warten, zum anderen gibt es aber auch noch drei Fugen am Deck zu reparieren und so gehört die nächste Stunde dem Multimaster und dem TikalFlex.

Gegen Nachmittag kommen langsam alle unsere Freunde im Hafen an und so machen sich gegen Abend die Crews von LOTTE, Saphir, MaxiMar und Atom auf den Weg nach Gelting und erobern Hellas.

Tag 2 – Aufbruch ins Ungewisse (20/VII)

Der zweite Tag unseres Törns beginnt erstmal so, wie (fast) jeder Samstag in Wackerballig: Es gibt Frühstück auf Lycka! Nur Michael, unserem Hafenmeister, fällt ein kleiner Unterschied auf: wir sind sehr viel früher als sonst und das Essen geht auch viel schneller – alle denken ans Segeln und so dauert es auch nicht sehr lange und Lycka und LOTTE setzen Kurs.

Einen Kurs zu setzen ist ja kein Problem, man benötigt lediglich ein Ziel, aber gerade das ist an diesem Tag gar nicht so einfach. Unser großer Wunsch ist ein Törn in Deutschland, vielleicht nach Rostock oder sogar Rügen, und so haben wir alle Karten und Hafenhandbücher dabei, die Neugier ist geweckt und die Pläne sind geschmiedet – nur der Wind hat mal wieder etwas gegen uns. Bei bestem Sommerwetter treibt uns ein kräftiger Südost aus der Bucht und dann? Dann haben wir keine Lust auf Kreuzen und bleiben auf Nordkurs, Dänemark wir kommen!

In Sønderborg kommen wir kurz vor der Brückenöffnung an, und so drehen wir im Schatten des Schlosses, vor dem gerade die königliche Yacht Dannebrog liegt, nur wenige Kreise und segeln dann weiter nach Norden. Auf dem Alssund treffen wir die Juri mit ihrer Crew und segeln gemeinsam dem Alsfjord und dann dem Lillebælt entgegen.

Auf der Höhe von Hardeshøj werden die Wolken plötzlich dunkler und in der Ferne hört man leichtes Donnergrollen – die angekündigten Gewitter sind im Anmarsch. Kurz überlegen wir nach Dyvig (oder besser: Mjelsvig) abzulaufen, aber laut Regenradar haben wir noch genug Zeit und die Strecke bis Barsø ist nur wenige Meilen länger, als bis hinten in die tiefe Bucht und so geht es noch auf der freiere Wasser.

Eine knappe Meile vor dem Hafen lässt der Wind dann urplötzlich nach und wegen der anrückenden Gewitter starten wir lieber den Motor und laufen den letzten Rest unter Maschine.

Gesamtstrecke: 26.17 NM
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5.18 knots
Gesamtzeit: 05:28:53
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Ich kann mir nicht erklären, warum der kleine Hafen auf dieser wunderschönen kleinen Insel in kaum einem Hafenführer auftaucht, aber so findet man auch in der Hauptsaison immer einen Platz, während man draußen alle anderen Boote in Richtung Genner Bugt segeln sieht.

Barsø gehört zum Kirchspiel Løjt Sogn in der Kommune Aabenraa und liegt etwa 12 km nordöstlich der gleichnamigen Stadt. Auf der Insel, die mit Barsø Landing auf dem Festland eine feste Fährverbindung besitzt, leben 15 Einwohner, die überwiegend in der Landwirtschaft tätig sind. Bis 1864 war die Insel Teil des Herzogtums Schleswig (Åbenrå Amt, Rise Herred), mit dem sie in jenem Jahr an Preußen fiel. Auf der Insel befindet sich das Barsøcentret, ein Informations- und Naturkundezentrum, das auch als Schullandheim dient.

Ganz in Ruhe machen wir neben Lycka fest, klarieren das Boot und dann fallen die ersten Tropfen. Während wir eine halbe Stunde Starkregen mit ein paar Windböen haben, bekommen wir Bilder aus Wackerballig, Sønderborg und anderen Teilen der Küste, an denen anscheinend die Welt untergeht…

Uns stört das freilich wenig, denn nach Regen folgt bekanntlich Sonnenschein und so genießen wir einen herrlichen Abend im Hafen von Barsø.

Tag 3 – A virus is a virus (21/VII)

Das Wetter am Sonntag lässt vor allem die Sonne missen und so beginnt der Tag mit kurzen Regenschauern und einem auffrischenden Südwest. Zu allem Überfluss ist mir schon seit der Nacht speiübel und so besteht mein Frühstück aus einem Tee in kleinen Schlucken und der Flucht vor dem Geruch des gebratenen Bacons auf Lycka.

Aus meiner Koje verfolge ich die dunklen Wolken, helfe nur kurz beim Anlegen von Juri und Nubia und konzentriere mich auf meinen Tee, der trotz der vielen kleinen Schlucke immer wieder den Drang nach Freiheit hat. Ein kurzer Spaziergang über die Insel geht fast schief und so verziehe ich mich wieder unter Deck.

Am Nachmittag stellt sich leichtes Fieber ein, am Abend dann aber der Appetit und später der Hunger – was auch immer ich mir eingefangen hatte, scheint wieder vorbei zu sein.

Trotzdem knabber ich beim gemeinsamen Grillen nur ganz vorsichtig am trockenen Brot und probiere die leckeren Salate nur in homöopathischen Dosen – aber alles ist lecker, schmeckt und will vor allem nicht wieder raus!

Tag 4 – Wasser von allen Seiten (22/VII)

Am Montag kann auch ich wieder das gemeinsame Frühstück genießen, bevor wir pünktlich mit dem Beginn des angekündigten Dauerregens die Segel setzen. Da Ike noch eine geschäftliche TelCo hat, laufen wir etwas vor Lycka aus und sind gerade dabei Barsø nördlich zu umrunden, als wir über uns einige Jets hören. Da wir uns gerade im Bereich zweier Schießgebiete aufhalten, überprüfen wir lieber nochmal die Sperrzeiten und siehe da: Heute und morgen wird geschossen. Wir ändern unseren Kurs, laufen entlang der Grenzen des Gebiets und wundern uns, dass sich keines der anderen Boote um die Sperrung kümmert – auf FCOO ist doch alles jederzeit zu ersehen.

Da der Wind mittlerweile wieder auf Ost gedreht hat, wären wir besser südlich um die Insel gesegelt, denn jetzt müssen wir hart an den Wind und so gesellt sich zum Dauerregen noch eine gehörige Ladung Gischt nach jeder Welle. Schon bald können wir aber wieder auf Nordkurs gehen und so sehen wir bald Årø im Regen vor uns auftauchen.

Während unseres Umwegs um das Sperrgebiet haben Ike&Karin (auf dem direkten Weg) gut aufgeholt, und so können wir von Zeit zu Zeit die schemenhaften Umrisse von Lycka in den Regenscheuern hinter uns ausmachen.

Auf dem Lillebælt gibt es einige Bereiche mit recht starker Strömung und wenn man Glück hat (oder gut plant), dann kann man diesen Strom für sich nutzen. An diesem Tag haben wir den Strom mit uns und so klettert das Log im Årøsund auf weit über 7kn – ein gutes Gefühl, wenn man im Regen Strecke machen will.

Unser Tageszielt ist Kongebro, der niedliche Hafen unter der alten Brücke bei Middelfart, fernab der großen ungastlichen Marinas. Normalerweise sind die hohen Pylonen der neuen Autobahnbrücke bis weit in den Süden zu sehen, aber heute ist vor uns alles grau. Fænø taucht genau so plötzlich vor uns auf, wie die kleine Robbe, die uns einige Momente aufmerksam hinterher guckt, bevor wir wieder von den Wolken verschluckt werden.

Auf Höhe der Brücke lassen Regen und Wind plötzlich nach, und es klart etwas auf. Lycka kommt schnell von hinten auf, unter Motor ist sie natürlich viel schneller als wir unter Segeln, und sondiert schon mal die Lage im Hafen, dann erreichen auch wir unser Ziel.

Gesamtstrecke: 30.71 NM
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5.48 knots
Gesamtzeit: 06:04:57
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Nach einem Tag Regen wirkt jeder Ort etwas trostlos und so dauert es ein wenig, bis wir wirklich angekommen sind. Das Auftuchen der nassen Segel macht keinen Spaß, zumal es auch plötzlich unglaublich schwül wird. So lassen wir uns viel Zeit, bevor ich am Hotel frage, ob ich mir eines der tollen Fahrräder für eine kurze Einkaufstour nach Middelfart leihen kann. Wegen des schlechten Wetters steht die ganze Fahrradflotte unbenutzt im Garten des schön gelegenen Hotels und ich darf daher eines kostenlos benutzen.

Der Weg nach Middelfart ist etwa 2km lang und führt durch einen wunderschönen Wald direkt am Wasser. In der Stille des Abends kann man draußen die Schweinswale schnaufen hören und so erreiche ich schnell den alten Hafen und danach die Stadt. Der Einkauf ist schnell erledigt und so brutzeln schon bald die Kartoffeln in der Pfanne und wie so oft steigt der verführerische Duft leckeren Essens aus der Kajüte von Lycka.

Nach dem Essen nehmen wir Abschied von Ike&Karin, die beiden wollen am kommenden Morgen ganz früh gen Norden und damit in Richtung ihres Fernziels Schweden starten, während wir schon fast am Ziel sind.

Tag 5 – Urlaub mit guten Freunden (23/VII)

Die letzten beiden Jahre haben auch wir am Anfang viel Strecke gemacht, haben versucht schnell Schweden zu erreichen, um dann dort mit dem Urlaub zu beginnen – das ist dieses Jahr anders. In diesem Jahr haben wir nur zwei Wochen und daher lassen wir uns Zeit! Mit dem Verlassen des Lillebælt verlassen wir auch unser Hausrevier und damit beginnt heute quasi unser Urlaub.

Pünktlich mit dem “Urlaubsbeginn” startet auch der Sommer wieder richtig durch. Bei herrlicher Sonne haben wir einen kräftigen Südost und so verlassen wir nach einem leckeren Frühstück im Cockpit von LOTTE Kongebro Richtung Kattegat. Wir können natürlich nicht an Fredericia vorbei segeln, ohne Steff zu besuchen und so ist unsere erste Etappe recht kurz, denn bereits nach wenigen Meilen laufen wir in den alten Hafen von Fredericia ein, wo Steff schon auf uns wartet.

Während ich mit meinem besten Freund ein Bier trinke, geht Robbi einkaufen – das ist hier besonders günstig, denn nur wenige Meter vom Hafen entfernt befindet sich ein großer Føtex. Hier findet man alles, was das Herz begehrt, bevor man dann wieder in die kleineren Häfen nördlich oder auch südlich aufbricht.

Nach einem netten Schnack und dem obligatorischen Risted Hotdog geht es dann weiter nach Norden, denn wir wollen noch einen anderen Freund besuchen: Erik. Seit Jahren lädt Erik uns ein, ihn und seine Familie mal im Sommer auf Endelave zu besuchen, aber die letzten Jahre hat es nie geklappt – mal lag die Insel nicht auf unserer Route, dann passte das Wetter nicht oder er war einfach nicht vor Ort. In diesem Jahr muss das mal klappen!

Bei gutem Wind machen wir schnell Nord und so sehen wir schon bald Endelave und auch das kleine Eiland Møllegrund vor uns auftauchen. Aus einem unerfindlichen Grund trauen sich nur die wenigsten zwischen den beiden Inseln hindurch, obwohl die Abkürzung nicht nur eine Wassertiefe von über 2m hat, sondern auch noch ganz offiziell betonnt ist. Leider sehen wir dieses Mal keine Robben oder Seehunde neben uns im Wasser, aber auf dem gesperrten Sänden des Møllegrund sehen wir sie liegen.

Endelave ist erwartungsgemäß überfüllt, aber normalerweise passt ein Folkeboot immer noch irgendwo zwischen – normalerweise… Als wir den Hafen erreichen, drehen schon andere kleine Boote suchend Kreise im Becken und als wir dann in der Hafeneinfahrt ins Päckchen wollen, vertreibt uns der Hafenmeister. Er hat aber sogleich einen Platz hinter zwei Dänen gefunden und während wir uns dorthin verholen, erreicht Erik den Hafen.

Gesamtstrecke: 27.08 NM
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4.59 knots
Gesamtzeit: 08:08:29
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Schnell haben wir LOTTE vertäut und die Segel aufgetucht, dann gibt es erstmal ein kaltes Bier und vor allem Schatten – trotz Sonnencreme mit Schutzfaktor 55+ sind wir beide ganz schön rot geworden.

Nach dem Begrüßungsschluck fahren wir mit Erik zu seinem Ferienhaus im Süden der Insel und schon bei der Fahrt wird klar, warum Endelave auch die Kaninchen-Insel genannt wird: Überall hüpfen die kleinen Kerlchen herum und Erik muss beim Fahren ganz schön aufpassen.

In dem Grill auf der Veranda dreht schon seit Stunden ein leckerer Braten und so können wir im Sonnenuntergang ein tolles Essen mit Erik und seiner Familie genießen. Erst sehr spät (oder besser: sehr früh) kehren wir zum Hafen zurück, was ist schöner als ein Tag mit Freunden?

Kategorien: Törns

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