Folkeboot Lotte

ein halbes Jahrhundert auf der Ostsee

Tag 11 – Auf Entdeckungstour (29/VII)

Es gibt Orte, die man nie besucht. Oft liegen diese Orte an Strecken, die man immer wieder nutzt, aber nie verlässt – jeder kennt das von der Autobahn, da braucht es manchmal die Umleitung bei einer Vollsperrung, um die Idylle der kleinen Orte direkt daneben zu erleben.

Beim Segeln geht es uns auch so: Die kleinen Häfen und Buchten im Umkreis eines (langen) Wochenendes sind uns bekannt, aber wenn wir mehr Zeit haben, dann wollen wir gewöhnlich auch weiter weg; so gibt es auch nach 25 Jahren in diesem Revier noch weiße Flecken auf unserer Karte des Lillebælt.

Einen dieser weißen Flecken wollen wir heute mit Farbe füllen und so nehmen wir nach einem langen Weg zum Einkauf (der Schlachter in Strib ist wirklich super) Kurs auf Føns Vig.

Da der Weg nicht sehr weit ist, haben wir Zeit. Bei schwachen Winden geht es langsam nach Süden und dieses Mal nehmen wir die hübsche Strecke durch den Fænø Sund. Glücklicherweise geht der Strom heute mit uns, denn in dem schwachen Wind ist schwer zu erkennen, ob wir nun Segeln, oder von der Strömung geschoben werden. Wie fast immer sind wir die einzigen unter Segeln, die restlichen Boote liefern sich unter Motor ein Rennen zum Yachthafen.

Die Marina von Middelfart lassen wir aber im wahrsten Sinn des Wortes links liegen und jetzt kommt auch wieder etwas Wind – vorbei am Gamborg Fjord laufen wir in die Føns Vig. Unser Ziel ist der Føns Vig Jollehavn, der in der südöstlichen Ecke der Bucht liegt. Schon als wir den Kurs auf den idyllischen Hafen setzen, merken wir, dass alle anderen stur auf der Nord-Süd-Route bleiben – genau wie wir die vielen Jahre zuvor.

Der kleine Hafen liegt südlich des Strands von Føns, dieser hat die Blaue Flagge und liegt direkt neben einem kleinen Ferienhaus-Gebiet, dass das Landschaftsbild der einen Küstenseite prägt.

Gesamtstrecke: 13.3 NM
Durchschnittsgeschwindigkeit: 3.83 knots
Gesamtzeit: 03:53:12
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Der Ort Føns ist ein kleines Dorf, eingebettet zwischen schöner Naturlandschaft und der Küste des Lillebælt. Unweit vom Hafen befindet sich der zweitgrößte See von Fyn, Føns Vang Sø, wo ein Vogelausguck alle ornithologisch begeisterten einlädt.

Der kleine Hafen ist schon speziell: Durch das flache Wasser am Ende der Bucht liegt er recht weit vom Strand entfernt, ansonsten erinnert die Anlage ein wenig an Barsø – vor dem Ende des T-förmigen Stegs liegt eine Steinschüttung und diese schützt vor Winden aus westlichen Richtungen. Die Heckpfähle, aus rostigen Eisenstangen, erfordern schon gute Manöver (oder gute Scheuerleisten), dann liegen Gäste auf knapp 2,2m Wassertiefe sehr geschützt. Für Kielyachten empfehlen wir die Plätze nördlich des Stegs zum Strand, auf der Südseite ist es flacher.

Wir werden sofort begrüßt und ein freundlicher Däne zeigt uns sogar das Versteck für den kleinen Schlüssel zum neuen “Clubhaus”, dort gibt es ein WC, einen Kühlschrank mit kaltem Bier (5DKK/Flasche) und auch die Möglichkeit zum Abwaschen und Kochen. Das Hafengeld von 50DKK wird in einem Umschlag in den Briefkasten geworfen, wer 10DKK mehr zahlt, darf auch die Dusche nutzen – diese ist zwar draußen, bezieht aber das warme Wasser aus dem Clubhaus.

Wir gehen ein wenig spazieren, baden in dem klaren Wasser der schönen Bucht und dann wird gekocht – wir haben ja gestern einen Hornhecht geschenkt bekommen. Während Robbi noch die, in der dänischen Küche omnipäsenten Erbsen palt, bereite ich alles zum Kochen auf dem Steg vor – Fisch müssen wir nicht unbedingt an Bord braten.

Ein Hafen mit einem freien Blick nach Westen verspricht einen schönen Sonnenuntergang. Zwar kündigen die Wolken schon den nahenden Wetterwechsel an, aber wir werden nicht entäuscht, mit einem kühlen Bier genießen wir diesen Sommerabend in Føns Vig und fragen uns, warum wir mehr als zwei Jahrzehnte immer an diesem Ort vorbei gesegelt sind.

Tag 12 – Segeln ist Entschleunigen (30/VII)

Der Dienstag beginnt sonnig, aber gegen Abend soll eine Front den Lillebælt erreichen. Morgen soll es regnen. Bei diesen Aussichten haben wir keine Lust auf eine Nacht vor Anker in der Helnæs Bugt, zumal der Wind auch eher schwach weht, und da wir gerne Einkaufen wollen, setzen wir Kurs auf Assens.

Kaum haben wir die Føns Vig verlassen, da fühlen wir uns schon wieder wie auf einer Autobahn: Boote ohne Ende. Es wird aber auch wieder deutlich, dass die meisten augenscheinlich gar nicht segeln wollen, die deutliche Mehrheit der Yachten fährt unter Motor. Wir lassen uns aber nicht Abschrecken, die Strecke ist kurz und bis zu den angekündigten Gewittern sind es auch noch über 10 Stunden hin. Unter den irritierten Blicken vieler anderer “Segler” segeln wir tatsächlich und machen nicht nur Urlaub auf einem Boot; unsere Segel bergen wir erst ganz hinten im Hafen, kurz vor der Boxengasse.

Als wir die Situation einem Freund schildern, erzählt er uns folgende Anekdote: Er ist vor einiger Zeit bei schwachem Wind langsam auf einen Hafen zu gesegelt und wurde dann von einem Überholer gefragt, ob sein Motor kaputt sei und er Schlepphilfe benötigen würde? Seine kurze Antwort war: “Danke, aber ich habe Urlaub!” Damit kam der andere gar nicht zurecht…

Der Hafen von Assens ist sehr lang und so segeln wir erstmal an Handels- und Fährhafen vorbei, bis wir uns einen Liegeplatz bei den kleineren Booten suchen.

Gesamtstrecke: 12.04 NM
Durchschnittsgeschwindigkeit: 3.33 knots
Gesamtzeit: 03:59:14
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Von Assens aus gingen früher alle Fähren der Region, aber mit dem Bau der Brücke in Middelfart verlor die Stadt an Bedeutung. Heute existiert nur noch die Fährverbindung zur Insel Bågø. Auch als Handelszentrum hatte die Stadt einen Namen, noch heute erinnert ein altes Kochhaus in der Nähe des Bågø‑Fähranlegers an die Zeit, als das Essen für die Besatzungen der Segelschiffe an Land hergerichtet wurde, weil an Bord wegen der Brandgefahr keine warmen Mahlzeiten zubereitet werden durften.

Die Stadt, die ihren Namen von den Eschen haben soll, die während des Mittelalters auf der Halbinsel im Westen der Stadt wuchsen, ist auch der Geburtsort des Seehelden Peter Willemoes, der sich 1801 in einer Seeschlacht gegen Nelson auszeichnete und 1808 in der Schlacht bei Sjællands Odde fiel. Im Museum Willemoesgården findet man nicht nur persönliche Gegenstände von Peter Willemoes, die beeindruckende Fachwerkanlage des 17. Jahrhunderts zeigt auch Ausstellungen über das Zunftwesen, die Seefahrt, den Schiffbau und das Bauwesen der Stadt.

Mit den vielen Fachwerkbauten aus der Blütezeit des Ortes präsentiert sich Assens als architektonisch harmonische Stadt mit einem durchaus sehenswerten Zentrum. Dort steht auch die Frauenkirche, die mit der Länge von 60 Metern eine der größten auf Fyn ist. Die einst romanische Kirche wich im 15. Jahrhundert einem Um­bau, aber noch heute sind Überbleibsel des romanischen Stils zu erkennen.

Nach einem Spaziergang durch die Stadt, es ist noch immer trocken, kochen wir und dann bekommen wir Besuch von der Besatzung von Talofa – seit Jahren das erste Folkeboot, dass wir auf einem Törn treffen.

Wir verstehen uns sofort gut, und so folgt beim Einsetzen des angekündigten Regens die Gegeneinladung auf deren Boot (wo bereits eine Kuchenbude aufgebaut ist). Zusammen sitzen wir bis spät in die Nacht, trinken das eine oder andere Bierchen, und erfahren viel über die Folkebootszene auf der Elbe.

Tag 13 – Gewitter sind doof (31/VII)

Es regnet. Die ganze Nacht hören wir die Tropfen auf dem Kajütdach, aber drinnen ist es warm und trocken. Wir bleiben lange in der Koje und decken dann unseren Frühstückstisch unter Deck. Es ist gut, dass es immer mal ein paar kurze Regenpausen gibt, denn wenn einer die kleine Kajüte verlassen kann, ist der Umbau vom Schlaf- zum Essbereich wesentlich einfacher.

Die Wetterprognosen sprechen von Regen und Gewittern – lokal mit starken bis stürmischen Böen. Da der Wind auch noch aus Südost, und damit unserer Zielrichtung, kommt, entscheiden wir einen Hafentag einzulegen. In einer Regenpause verholen wir LOTTE auf die andere Seite der Boxengasse, jetzt kommt der Regen von vorne und so können wir den Niedergang offen lassen. Jetzt können wir von drinnen alles sehen, was draußen so passiert.

In einer längeren Regenpause gehen wir einkaufen, aber der Weg ist zum Glück nicht weit: ein gut sortierter SuperBrugsen liegt gleich auf der anderen Seite des Hafenbeckens.

Nach dem Essen, besuchen wir Kim, die gerade mit ihrer Freundin Jessi auf Sommertörn ist. Ich kenne Kim nur über ihren Blog, aber auf Facebook hatten wir gestern festgestellt, dass wir heute wohl beide in Assens sind und uns spontan verabredet. Mit ein paar Bier im Gepäck besteigen wir das Boot der beiden und kommen erst sehr spät wieder runter – es gibt soviel zu erzählen und wir haben ein Menge Spaß!

Tag 14 – LOTTE spielt Fähre (1/VIII)

Entsprechend lange schlafen wir an diesem Morgen und es bedarf doch eines großen Kaffees, um überhaupt mit dem Frühstück zu starten. Das Wetter ist schön, die Sonne scheint und die Wolkenberge haben sich verzogen – es fehlt nur der Wind.

Wir warten bis zum Mittag, aber noch immer rührt sich kein Lüftchen. Als das Wetterradar aber wieder aufziehende Gewitterfronten zeigt, werden wir aktiv: Wir haben keine Lust auf einen weiteren Hafentag in Assens und so beschließen wir zusammen mit den Mädels nach Bågø zu verholen, und dort zu grillen. Auch wenn ich mir einen vegetarischen Burger nicht so recht vorstellen kann, geht Robbi mit den beiden zum Einkaufen, während ich das Boot klar mache.

In Assens liegen nicht nur LOTTE und Talofa, hier liegt gerade auch Vigo. Das Folke von Camilla&Lars liegt in Wackerballig an unserem Steg, aber wir haben selten die Gelegenheit ausgiebig zu quatschen, und so laden wir die beiden kurzerhand ein, uns auf die Insel zu folgen.

Dieses Mal laufen auch wir unter Motor, den wir haben absolut keinen Wind und in der Ferne grollt schon der Donner. Der Weg nach Bågø ist aber nicht weit und so liegen wir nach einer knappen Stunde fast wieder neben Talofa, deren Tour nach Årø mangels Wind auch hier ihr Ende fand.

Gesamtstrecke: 3.65 NM
Durchschnittsgeschwindigkeit: 3.56 knots
Gesamtzeit: 01:07:24
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Am späten Nachmittag sind dann alle da und das Beste ist, das alle Gewitter an uns vorbei ziehen! Zusammen mit Jessi und Kim geht es in den Grillpavillion und dort wird geschnippelt, gegrillt und gelacht – die vegetarischen Burger aus Reis, Chilli und Käse sind wirklich gut!

Als wir mit dem Essen fertig sind, gesellen sich auch die Crews von Talofa und Vigo dazu – so ist das Segeln auf kleinen Booten, man trifft sich und bleibt nicht allein im großen Salon unter Deck.

Lange sitzen wir in dem Pavillion und nach dem Abwasch werden die Kochutensilien einfach durch die Petroleumlampen ersetzt. Erst spät in der Nacht sind alle wieder auf ihren Booten, und ich denke ich spreche für alle wenn ich sage, dass es ein toller Abend war!

Tag 15 – Wind, Flaute, Motor (2/VIII)

Auch die Zeit der Entschleunigung findet mal ein Ende, vor allem wenn man eine Verabredung hat. Wir wollen am Samstag zur Sternfahrt der Folkeboot-Fahrtensegler in Schleimünde sein, und bis dahin sind es noch knapp 40nm, im Prinzip ist das kein Problem, wenn denn Wind da wäre…

Wir machen es Talofa nach, und laufen unter Segeln aus dem Hafen und nehmen Kurs auf Als – Mommark oder Fynshav wären gute Ziele für einen Sprung an die Schlei. Die ersten zwei Meilen kommen wir auch noch ganz gut voran, dann wird der Wind schwächer und schwächer. Als das bisschen Wind dann auch noch genau auf Süd dreht und unsere Ankunftszeit in Fynshav konstant bei morgens um 5Uhr liegt, starten wir den Motor.

Langsam tuckern wird Als entgegen und dann können wir die letzten drei Meilen tatsächlich noch segeln – was für eine Wohltat nach all dem Geknatter.

Gesamtstrecke: 20.15 NM
Durchschnittsgeschwindigkeit: 3.40 knots
Gesamtzeit: 06:38:12
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Eine besondere Anziehungskraft besitzt Fynshav nicht, aber der Hafen ist ein guter Ausgangspunkt für den Sprung in die Dänische Südsee oder nach Norden in den Belt. In dem kleinen Ort, etwa 1,5km entfernt, gibt es eine Tankstelle und einen Supermarkt.

Wer den Weg in den Ort etwas ausdehnt, wird jedoch von der schönen Landschaft überrascht sein; das mit 10km längste Waldstück der Insel Als erstreckt sich nördlich des Hafens und für Fußgänger und Radfahrer gibt es gut markierte Waldwege. An der Ostküste von Als laden außerdem menschenleere Sandstrände zum Baden ein.

Direkt nördlich des Yachthafens liegt der Fährhafen. Die Fährverbindung zwischen Als und Bøjden auf Fyn gibt es seit 1967, die Verbindung nach Søby auf Ærø wurde 2009 von Mommark hierher verlegt. Wie der Name des Ortes allerdings schon andeutet, war Fynshav schon früher Fährhafen; und zwar vor dem deutsch‑dänischen Krieg 1864. In seinem Buch “Meine Lebensgeschichte”‘ schildert Hans Christian Andersen mehrfach die Überfahrten.

Wir gehen durch die hügelige Landschaft zum Supermarkt und kaufen etwas zum Grillen ein – der Hafen bietet tolle Grillplätze mit Blick über den Lillebælt nach Fyn und Lyø. Heute sitzen wir aber nicht so lange wie gestern, morgen wollen wir nach Schleimünde und um dort noch einen guten Platz für unsere Flotte zu bekommen, sollten wir früh los.

Kategorien: Törns

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