Tag 16 – Sternfahrt ohne Wind (3/VIII)
Zum zweiten Mal treffen sich die Folkeboote am ersten Augustwochenende in Schleimünde, und auch in diesem Jahr fällt das Treffen auf das letzte Wochenende unseres Sommertörns. Im vergangenen Jahr wurde das Treffen noch von der Deutschen Folkebootvereinigung organisiert, doch diese scheint kein Interesse mehr daran zu haben. Aber als Fahrtensegler sind wir das ja gewohnt – es geht eben nicht um Preise und Ranglisten – und so findet das Treffen eben in Eigenregie statt. Meiner Meinung nach entspricht das auch mehr dem Charakter des Folkeboot-Fahrtensegelns: Man trifft sich spontan und verbringt eine tolle Zeit.
2019 kam mit dem Wochenende des Treffens der Sturm und wir nahmen nicht teil, heute herrscht absolute Flaute. Die Ostsee ist so ruhig und glatt, dass wir bereits vor dem Frühstück auslaufen und dann, während Oskar an der Pinne seinen Dienst verrichtet, in Ruhe unser Essen auf See genießen.
Nach Frühstück und Abwasch sind wir schon fast bei Gammel Pøl und noch immer rührt sich kein Lüftchen, da werden wir fast gerammt. Bei spiegelglatter See kommt ein Segelboot, ebenfalls unter Motor, aus Osten (während wir nach Süden fahren) und hält stur einen Kollisionskurs. Auf Winken reagiert der Idiot nicht, obwohl er uns deutlich erkennbar sieht, und als wir ein Manöver des letzten Augenblicks fahren, grinst er frech von seiner riesigen Plastikschüssel zu uns rüber. Ich frage mich immer öfter ob das an der Überheblichkeit der Eigner großer Boote liegt, oder ob die Skipper einfach keine Ahnung haben. Die KVR sind in diesem Fall absolut eindeutig:
Wenn die Kurse zweier Maschinenfahrzeuge einander so kreuzen, daß die Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes besteht, muß dasjenige ausweichen, welches das andere an seiner Steuerbordseite hat; wenn die Umstände es zulassen, muß es vermeiden, den Bug des anderen Fahrzeugs zu kreuzen.
Kollisionsverhütungsregeln – KVR
Regel 15 : Kreuzende Kurse
Nach diesem unschönen Erlebnis geht es weiter Richtung Schlei und tatsächlich kommt etwa zwei Meilen vor dem Ziel etwas Wind auf. Sofort setzen wir Segel und stoppen den röhrenden Motor – mit leisem Plätschern segeln wir vorbei am Leuchtturm von Schleimünde und bis in den kleinen Hafen.
Der Hafen von Schleimünde ist beliebt und das Wetter ist bombastisch – konsequenterweise ist er also schon am Mittag brechend voll. An unserem “Stammplatz”, am Fuß der kleinen Brücke im Hafen, wäre noch Platz für eine ganze Folkeboot-Flotte – aber ein beratungsresistenter Eigner eines riesigen Joghurtbechers hat sich einfach vor die Durchfahrt gelegt und ist auch nicht durch Argumente des Hafenmeisters zu überzeugen, eine Durchfahrt zu schaffen – angeblich war es schon so schwierig dort anzulegen. Leute, lernt endlich Eure Boote zu beherrschen, oder kauft Euch etwas eine Nummer kleiner!
Wir finden einen Liegeplatz am Anfang der Westmole, fast schon am Strand. Neben einem Klassiker, der in der letzten echten Box liegt, machen wir fest und für Folkeboote ist noch auf allen Seiten Platz.
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4.51 knots
Gesamtzeit: 04:50:06
Kurz nach uns kommt Erik. Geschickt manövriert er Pommery neben LOTTE und dann trudelt im Lauf des Nachmittags der Rest der Boote ein. Während in den Cockpits und auf den Achterdecks von LOTTE und Pommery schon die Getränke kreisen, werden noch Boote neben und hinter uns vertäut. Am Ende liegt die ganze Hafenecke voller Folkeboote – was für ein schöner Anblick.
Jeder von uns hatte einen mehr oder weniger langen Tag auf See und so stellt sich langsam der Hunger ein – also ab zum Grillplatz. Bei so vielen Leuten brauchen wir nach einer Bank gar nicht erst zu suchen und daher machen wir es uns auf der Wiese bequem, die Grills der verschiedenen Boote haben so alle immer im Blick.
Jeder hat etwas mitgebracht und so wird das auf einer Mauer aufgebaute Buffett nicht nur sehr reichhaltig, sondern vor allem sehr abwechslungsreich.
Die Sonne ist schon lange hinter Maasholm verschwunden, da machen wir uns auf dem Rückweg zu den Booten – mittlerweile ist auch ein recht frischer Wind aufgekommen. Während einige schon in ihre Kojen verschwinden, sitzen wir noch mit den Besatzungen von Paula, Pommery und Lord Jim auf LOTTE, so geht Segeln mit dem Folkeboot.
Tag 17 – Folkeboote on Tour (4/VIII)
Am Sonntag ist es frisch geworden. Wo gestern noch die die strahlende Sonne zu sehen war, ziehen heute graue Wolken lang und es sieht nach Wind und Regen aus.
Trotzdem gibt es auf den Booten (mehr oder weniger aufwändige) Frühstücke, bevor ein Boot nach dem anderen den Hafen verlässt und sich auf den Heimweg macht. Heute ist die “Sternfahrt” wirklich zu erkennen, denn ganz langsam entfernen sich die Boote in fast alle Himmelsrichtungen und die Masten werden kleiner, bevor sie hinterm Horizont verschwinden.
Zusammen mit drei anderen Booten laufen wir Kurs Flensburger Förde und der Wind nimmt immer weiter zu. Um nicht voll gegen die Welle zu müssen, halten wir uns daher dicht unter der Küste und machen eher kleine Kreuzschläge, bevor wir dann in einer guten Ausgangsposition sind, um den Kalkgrund zu überqueren und Kurs Wackerballig zu setzen.
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4.68 knots
Gesamtzeit: 03:36:20
In Wackerballig werden wir herzlich empfangen, und wir liegen kaum in unserer Box, da bekommen wir auch schon eine Einladung zu Kaffee und Kuchen. Die Hafengemeinschaft hat sich in den letzten Jahren wirklich geändert – man kennt und hilft sich!
Jetzt müssen wir noch schnell ein- und LOTTE verpacken, dann geht es nach einem Abendessen mit Ralf&Martina zurück nach Hamburg. So schnell haben wir das Boot am Ende eines Sommertörns noch nie verlassen, aber wir haben ja schon in den vergangenen Tagen immer mal wieder etwas sauber gemacht und sortiert.